Magazinrundschau - Archiv

Africa is a Country

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Magazinrundschau vom 14.02.2023 - Africa is a Country

Wie französisch kann ein Tunesier werden? Nie französisch genug, versichert erbittert die tunesische Soziologin Shreya Parikh. "Jedes Mal, wenn ich 'kolonisieren' in der Vergangenheitsform schreibe, frage ich mich, wie lange diese Vergangenheit schon zurückliegt. Ich beobachte Hunderte von Tunesiern, die an der französischen Botschaft auf dem Platz mit dem ironischen Namen Place de la Independence im Herzen von Tunis vorbeilaufen; ich beobachte, wie sie unter dem Blick der immer dichter werdenden Sicherheitskräfte, die alle an das Gebäude angrenzenden Straßen blockieren, zusammenschrumpfen. Die Straßen, auf denen die Tunesier während der revolutionären Proteste von 2011 Freiheit und Würde forderten, sind auch die Straßen, auf denen die Tunesier Tag für Tag in demütigend langen Schlangen stehen, um eine Chance auf ein französisches Visum zu erhalten. Ich sehe, wie sie sich unter der erdrückenden Last der Frenchness bücken, wenn sie sich bücken, um Restauranttische zu reinigen, nachdem sie einen weiteren französischen Touristen bedient haben, der ohne Visum in ihr Land kommt. Imen, 24 Jahre alt, erzählt mir, dass sie nie Französisch gelernt hat. Aber die öffentlichen Schulen, die sie in einem Arbeiterviertel von Tunis besucht hat, zwingen allen Schülern die französische Sprache auf. Also formuliert Imen ihren Satz noch einmal um und sagt mir, dass sie kein Französisch sprechen kann", weil sie das R rollt. "Es reicht nicht aus, einfach nur die französische Sprache zu erlernen; vielmehr entscheidet sich der soziale Wert eines Menschen an der Fähigkeit, sich eine Form von Frenchness anzueignen, deren Regeln man schon lange verinnerlicht hatte, deren Weg zum Erwerb aber nie klar definiert war. Aber genau darin liegt die Macht der Frenchness in Tunesien - die bewusste Unbestimmtheit ihres Erwerbs verbirgt die Tatsache, dass sie niemals von einem Tunesier erworben werden kann."

Magazinrundschau vom 06.12.2022 - Africa is a Country

Ethnische, religiöse Kriterien und die Hautfarbe werden immer wichtiger in Debatten über eine gerechtere Gesellschaft. Im Libanon hat dieses Proporzsystem nicht funktioniert, im Sudan auch nicht, wo Gewaltausbrüche in den letzten Jahren viele Menschenleben forderten. Die sudanesische Schriftstellerin und Frauenaktivistin Rem Abbas erzählt, wie es dazu kam: "Im Juli 2022 kam es in verschiedenen Städten in der Region Blauer Nil zu einem plötzlichen Ausbruch von Gewalt.  Sie begann in Al-Damazine und Al-Rosereis, den beiden größten Städten der Region, und brachte die Hausa, eine Bauerngruppe mit Wurzeln in Nigeria, gegen andere in der Region ansässige Gemeinschaften wie Al-Hamj, Al-Berta und Al-Funj auf. Die Kämpfe begannen, nachdem die Hausa um eine Amara (eine Stammesverwaltung) in der Region gebeten hatten, was ihnen jedoch verweigert wurde, da eine Stammesverwaltung einen historischen und nachgewiesenen Anspruch auf das Land voraussetzt. Die Art der Tötungen spiegelt die Art und Weise wider, wie viele Städte im Sudan aufgebaut sind. Al-Rosereis, die historische Hauptstadt der Region, ist in fünf Bezirke unterteilt, die die geografische Lage widerspiegeln. Die jüngsten Gewalttaten konzentrierten sich auf die nördlichen und südlichen Bezirke der Stadt, in denen die Stadtteile nach ethnischer Zugehörigkeit abgegrenzt sind. Die Konzentration der Hausa-Gruppe in bestimmten Dörfern am Blauen Nil hängt beispielsweise mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten in der Landwirtschaft und Fischerei zusammen. In Geneis, einem Fischerdorf in der Nähe des Al-Rosereis-Staudamms, kam es zu massiven Kämpfen. Das Gebiet wird von Al-Hamaj, einer einheimischen Gruppe, beherrscht, und die Hausa leben und arbeiten dort seit mindestens zwei Generationen. In Geneis bahnt sich seit langem ein Konflikt an, da die Hausa wirtschaftlich aufgestiegen sind und sich ein sehr gefährliches Bild zwischen den so genannten Eingeborenen und den Siedlern abzuzeichnen begann."

Magazinrundschau vom 29.11.2022 - Africa is a Country

Die südafrikanische Literaturwissenschaftlerin Mona Hakimi, selbst Tochter eines Iraners afrikanischer Abstammung, war ganz schön überrascht als sie lernte, dass es im Iran afrikanische Sklaven gab. "Meine Neugierde wurde geweckt, als ich auf die Archivfotos des Anthropologen Pedram Khosronejads von afrikanischen Sklaven im Iran stieß. Wie Denise Hassanzade Ajiri vom Tehran Bureau schreibt, 'wird das Thema der afrikanischen Sklaverei trotz seiner alten Wurzeln im Iran kaum diskutiert oder gar anerkannt'. Auch anderswo wird es kaum diskutiert oder gar anerkannt. Als ich in Lilongwe, Mbabane, Kapstadt und Oxford afrikanische Geschichte studierte, fand ich das Thema in keinem Lehrplan. Paul Tiyambe Zeleza besteht darauf, dass wir die afrikanische Diaspora jenseits des Schwarzen Atlantiks neu schreiben, und einige Wissenschaftler versuchen, diese Forderung auch auf die Geschichte des Iran auszuweiten. Wie die Historikerin Beeta Baghoolizadeh aufzeigt, wurde die Sklaverei im Iran erst 1928 abgeschafft. Das ist kaum historisch, sondern praktisch zeitgenössisch. Wenn die Proteste anhalten und der Iran seine Türen öffnet, hätten wir besseren Zugang zu mehr Archiven und mehr Geschichten, die erzählt werden müssen. Lebende Nachkommen könnten die Geschichten ihrer Vorfahren erzählen."
Stichwörter: Iran, Sklaverei, Country

Magazinrundschau vom 20.09.2022 - Africa is a Country

Nach einer Reihe von Angriffen auf afrikanische Studenten in Neu Delhi 2017, erklärte Tarun Vijay, Leiter der Parlamentarischen Freundschaftsgruppe Indien-Afrika und ehemaliger BJP-Abgeordneter in einem Interview mit Al Jazeera, dass dies nichts mit Rassismus zu tun habe, weil Inder per se nicht rassistisch sein könnten. Als Beleg verwies er auf die zum Teil sehr dunkelhäutigen Bewohner der südlichen Provinzen Indiens. Damit löste er eine große Debatte in beiden Ländern aus, berichtet der Politologe Zachariah Mampilly von der City University New York, der sich aus diesem Anlass mit der ebenfalls in New York lehrenden Historikerin Shobana Shankar über ihr neues Buch "An Uneasy Embrace. Africa, India and the Spectre of Race" unterhalten hat. Die Sache wird noch komplizierter durch die Tatsache, dass sie viele Nordinder als "weiß" betrachten, viele Dalit als "schwarz" und viele Afrikaner Ghandi als Rassisten betrachten, was zu dem vielgeteilten Hashtag #GandhiMustFall führte. Dennoch findet Shankar den Begriff "Black Asia" in vieler Hinsicht produktiv, auch wenn er von einem Teil der Südasiaten abgelehnt wird: Er hilft zum Beispiel bei dem Versuch, amerikanische Gerichte dazu zu bewegen anzuerkennen, dass rassifizierte Ungleichheit - etwa wenn indische Arbeiter von anderen Indern in den USA wegen ihrer Kaste diskrimiert werden - "in den heutigen Einwanderungs- und Arbeitssystemen eingebettet ist. Diese Versuche sind radikal, weil sie deutlich zeigen, dass südasiatische Versklavungssysteme keine Relikte der Vergangenheit sind, sondern durchaus in der Lage sind, modernisiert zu werden, ja sogar in der bevölkerungsreichsten 'Demokratie' der Welt, Indien, ausgebrütet und von dort aus in die westlichen liberalen Volkswirtschaften exportiert werden. Wenn ich von radikal spreche, meine ich nicht, dass diese Versuche gänzlich neu sind: Teile der afrikanischen Diaspora in Amerika haben schon lange vor diesen Prozessen aufgedeckt, wie Sklaverei, Kastendenken und Rassismus auf dem afrikanischen Kontinent wirken und die heutigen Migrationsmuster prägen - insbesondere in der Diaspora der Flüchtlinge, der Menschen ohne Papiere und der Asylsuchenden."

Weitere Artikel: Der französische-madagassische Autor Ari Gautier erzählt, welche Bücher ihn beeinflusst haben - von "The Palm-wine Drinkard" des nigerianischen Autors Amos Tutuola über "Gouverneurs de la rosée" des haitianischen Autors Jacques Roumain bis zum Roman "L'Interférence" des "größten modernen Dichters Afrikas", des madagassischen Autors Jean-Joseph Rabearivelo. Wamuwi Mbao stellt den südafrikanischen Dichter Don Mattera vor, der im Juli starb. Und der Religionswissenschaftler Terje Østebø beschreibt den Einfluss des Salafismus auf die äthiopischen Muslime.

Magazinrundschau vom 02.08.2022 - Africa is a Country

Mehrere Artikel erinnern an das Massaker in Marikana, bei dem 2012 mehr als 40 Arbeiter einer Platin-Mine, die für ihre Rechte streikten, von der Polizei erschossen wurden. Leider haben die "durch das Massaker ausgelösten seismischen Veränderungen nicht zu einer Gewerkschaftsbewegung geführt, die besser gerüstet wäre, die Probleme der Arbeitnehmer anzugehen", bedauert Naadira Munshi. "Zu sehen, wie unschuldige Menschen von der Polizei getötet wurden, während Krankenwagen viel zu lange brauchten, um einzutreffen, signalisierte ein Versagen des Staates, das das Land bis ins Mark erschütterte. Eine demokratische Regierung hatte Bergarbeiter umgebracht, weil sie für einen existenzsichernden Lohn kämpften. Die historische und einst stolze National Union of Mineworkers (NUM) hinterließ einen Schandfleck in ihrer Geschichte, als sie auf einer Pressekonferenz, auf der ihre Führer neben den Führungskräften des Bergbaugiganten Lonmin saßen, 'Selbstjustizler' für den wilden Streik verantwortlich machte. Einer der Aktionäre von Lonmin war auch der damalige stellvertretende Präsident des Landes und Gründungsmitglied der NUM, Präsident Cyril Ramaphosa. Es ist kein Wunder, dass die Schockwellen, die das Massaker ausgelöst hat, auch zehn Jahre später noch zu spüren sind."

Auch heute noch werden viel zu oft Menschen von der Polizei getötet, ohne dass jemand dafür zur Rechenschaft gezogen wird, schreibt Ziyanda Stuurman. Zum Beispiel im März 1921 der 35-jährige Mthokozisi Ntumba, der gerade vom Arzt kam, als er in eine Demo von Studenten der Universität von Witwatersrand geriet und von der Polizei erschossen wurde. Die angeklagten Polizisten wurden freigesprochen. "Die Polizei zeigt uns immer wieder, dass sie durchaus in der Lage ist, gewaltlos gegen aufgewühlte Massen weißer Farmer vorzugehen, die in Senekal im Freistaat protestieren, oder gegen mehrheitlich weiße Vorstadteltern, die in Brackenfell im Westkap protestieren. Doch gibt es eine verächtliche und grundlose Gewalt, die den Bewohnern von Gemeinden wie Alexandra in Johannesburg vorbehalten ist, wenn sie die Politiker auffordern, ihre Wahlversprechen einzuhalten. Die Bewohner von Alexandra konnten diese rassistische Polizeigewalt mit solcher Sicherheit vorhersehen, dass sie einen Marsch von ihrer Gemeinde durch Sandton, den wohlhabendsten Vorort der Stadt, planten, um den Gemeindevertretern ein Memorandum mit Beschwerden zu überreichen, wohl wissend, dass sie nicht angegriffen oder mit Betäubungsgranaten oder Tränengas beschossen werden würden, weil sie durch das Gebiet marschierten, das oft als 'die reichste Quadratmeile Afrikas' bezeichnet wird. "

Magazinrundschau vom 16.11.2021 - Africa is a Country

Es gibt viele Gründe, warum Homosexualität in Afrika so oft kriminalisiert wird. Der beliebteste ist: Kolonialismus. "Was in diesen Debatten jedoch zu fehlen scheint, ist eine offene Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit einige Aspekte afrikanischer indigener Kulturen eine wichtige Ursache für homosexuellenfeindliche Einstellungen sein könnten", kritisiert der kamerunische Religionswissenschaftler David Tonghou Ngong. "Der ghanaischen feministischen Wissenschaftlerin für afrikanische Religionen, Mercy Amba Oduyoye, zufolge ist die afrikanische Homophobie möglicherweise auf den Wunsch nach Kindern zurückzuführen, ein Wunsch, der in vielen afrikanischen Gesellschaften häufig zur Stigmatisierung kinderloser Frauen - insbesondere verheirateter, kinderloser Frauen - führt. Vor Oduyoye hatten einige männliche afrikanische Religionswissenschaftler, wie der verstorbene John Mbiti aus Kenia und Bénézet Bujo aus der Demokratischen Republik Kongo, diesen Kinderwunsch als ganz normal angesehen. Mbiti vertrat die Ansicht, dass der Kinderwunsch mit der Hoffnung verbunden sei, ein Vorfahre zu werden, während Bujo argumentierte, dass dieser Kinderwunsch als grundlegend für die afrikanische Vorstellung von Gemeinschaft angesehen werden könne. Da die Gemeinschaft in Afrika einen hohen Stellenwert hat, ist für Bujo die Triade aus Mann, Frau und Kind(ern) unverzichtbar. Kinderlose und Homosexuelle, so das Argument, sind eine Bedrohung für diese heilsame Vision eines Lebens, in dessen Mittelpunkt das Wachstum der Gemeinschaft steht. Die Männer sahen in dieser Erzählung eine heilsame Lebensweise, aber Oduyoye sah eine Lebensweise, die nicht nur für die kinderlose Frau, sondern auch für queere Afrikaner höllisch war. Bei Oduyoye verbindet sich also das Patriarchat mit der Homophobie, um das Leben derjenigen auszulöschen, die nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen."

Magazinrundschau vom 05.10.2021 - Africa is a Country

Schön, dass sich die Streamingdienste für afrikanische Inhalte interessieren, meint Sara Hanaburgh, aber noch besser wäre es, wenn sich Netflix - oder Canal Plus - auch für afrikanische Realitäten interessierten: Zum Beispiel dass nur 22 Prozent der Bevölkerung überhaupt Zugang zum Internet haben, nur ein Bruchteil davon zu schnellem Internet. Dass auf den afrikanischen Kanälen so gut wie keine afrikanische Produktionen gezeigt werden. Oder dass es kaum Produktionsmöglichkeiten gibt: "Die kulturelle Produktion auf dem Kontinent könnte florieren, wenn sie mehr Mittel zur Verfügung hätte. Von den Regierungen in Afrika erhält sie kaum Unterstützung, und die Situation hat sich durch COVID-19 noch verschärft. Wie Abderrahmane Sissako bereits feststellte ist es für Afrikaner aufgrund der geschlossenen Grenzen in Europa mittlerweile schwierig, zur Ausbildung dorthin zu gehen und sich Filmtechniken und Fähigkeiten anzueignen. Dabei gibt bereits verschiedene geeignete Modelle, die von einer Finanzierung zum Aufbau und zur Unterhaltung von Schnitt- und Produktionsstudios profitieren würden ... Das Festival Écrans Noirs von Bassek ba Kobhio beispielsweise, das sich seit 23 Jahren als erfolgreiches Festival behauptet, war auch maßgeblich an der Ausbildung von Schauspielern und Regisseuren beteiligt und förderte das lokale Kino in der Region Zentralafrika sowie auf dem gesamten Kontinent."

Magazinrundschau vom 28.09.2021 - Africa is a Country

Michael de Vulpillieres stellt die Bewegung Hirak vor, die sich 2019 in Algerien aus Protest gegen die korrupte Regierung von Abdelaziz Bouteflika gründete und in Nordafrika und der Diaspora Fuß fasste. "Als Massenbewegung, die eine zivile Regierung fordert, ist der führerlose Hirak klassen-, ethnien-, geschlechts-, alters- und religionsübergreifend. … Schon früh während der Demonstrationen in Algier waren in der Hauptstadt Straßenkunstwerke zu sehen, auf denen zu lesen war: 'Ich denke nicht daran, dich zu verlassen, mein Algerien', ein Symbol für die düsteren Aussichten der meisten Algerier, für die große Zahl der Bürger, die auswandern, und für die neue Hoffnung, die durch den Hirak geweckt wurde. Dieser Bewusstseinswandel ist von Oran über Paris bis Washington DC zu spüren und hat eine neue Beziehung zwischen den Algeriern geschaffen. Brahim Rouabah erklärt dies, indem er die gegenwärtige Situation mit den vorangegangenen 30 Jahren vergleicht, einer Zeit, in der die 'Atomisierung der Algerier' herrschte, in der die Bevölkerung 'nicht zusammenkam, nicht zusammen lachte und nicht zusammen dachte'. Aber dieses Tabu ist gefallen. Trotz erheblicher Hindernisse, die ein rigider und verzweifelter Staat errichtet hat, ist heute eine Bevölkerung zu sehen, die endlich 'gemeinsam träumen' kann.
Stichwörter: Algerien, Country, Algiers

Magazinrundschau vom 21.09.2021 - Africa is a Country

Was ist Whiteness in Nordafrika, fragt sich Leila O. Tayeb anlässlich einer libysche Fernsehshow, für die sich die Moderatorin schwarz schminkte und mit zwei Affen als Kindern posierte. Tayeb fällt auf, dass "Afrikaner" die "gängige Bezeichnung für schwarze Menschen in Nordafrika ist, die sich von einer nicht näher bezeichneten (unmarkierten) Norm unterscheiden. Diese diskursive Praxis erzeugt auch ein spannungsgeladenes und ambivalentes Weißsein, mit dem die algerische Diaspora-Aktivistin Houria Bouteldja kürzlich in einer Polemik über 'Weiße, Juden und uns' tanzte. Sie schreibt: 'Fünfzig Jahre nach den Unabhängigkeitsbewegungen ist es Nordafrika, das seine eigenen Bürger und Schwarzafrikaner unterdrückt. Ich wollte eigentlich meine afrikanischen Brüder sagen. Aber das traue ich mich nicht mehr, jetzt, da ich mein Verbrechen zugegeben habe. Lebt wohl, Bandung.' Indem sie es 'nicht mehr wagt', brüderliche Verwandtschaft zu beanspruchen, erkennt Bouteldja die Gewalt der nordafrikanischen Anti-Blackness an. Doch selbst dann, wenn sie 'Nordafrika' als 'Unterdrücker seiner eigenen Bürger und Schwarzafrikaner' beschreibt, scheint sie anzudeuten, dass das Ende des kolonial konstruierten Staatssystems die nordafrikanische Anti-Schwarzheit beenden könnte. Letztere geht jedoch viel tiefer als der postkoloniale Staat. Das nordafrikanische unmarkierte Weißsein selbst hält das 'und' in ihrem Satz, 'seine eigenen Bürger und Schwarzafrikaner', hoch, als ob diese Kategorien sich gegenseitig ausschließen oder immer ausgeschlossen hätten."



Noah Tsika empfiehlt die Fortsetzung von Kemi Adetibas Netflixfilm "King of Boys", eine Art "Der Pate" auf nigerianisch, nur dass der Pate hier eine Frau ist, Eniola Salami, gespielt von der großartigen Sola Sobowale. In dem als Serie angelegten "The Return of the King" versucht Salami für ein politisches Amt zu kandidieren. Adetiba nimmt dabei erbarmungslos die Korruption nigerianischer Politiker aufs Korn: "'Die Rückkehr des Königs' geht davon aus, dass Betrug und Korruption zur nigerianischen Wahlpolitik gehören wie die Egusi-Suppe. Noch stärker als der ursprüngliche Spielfilm spielt die Netflix-Serie auf die jüngere Geschichte Nigerias an. Während im ersten Teil Porträts von Goodluck Jonathan auftauchen, wird im zweiten Teil ein fiktiver Präsident eingesetzt, der es Adetiba ermöglicht, die Skandale einiger tatsächlicher nigerianischer Staatsoberhäupter mittels eines imaginären Stellvertreter zu untersuchen. Vor allem der ehemalige Präsident Olusegun Obasanjo geistert durch die dramatischen Vorgänge, ebenso die Tatsache, dass im Jahr 2007 (dem Jahr, in dem Obasanjo aus dem Amt schied) 31 der 36 Gouverneure Nigerias wegen Korruption angeklagt wurden. Obasanjos Anti-Korruptions-Rhetorik diente jedoch nur dazu, das Fehlverhalten, das er zuließ, zu verschleiern - vor allem für die ausländische Presse."

Außerdem: Grace Adeniyi-Ogunyankin und Simidele Dosekun unterhalten sich über Postfeminismus in Nigeria.

Magazinrundschau vom 10.08.2021 - Africa is a Country

In Afrika haben in jüngster Zeit mehrere Länder (zuletzt Ghana) unter dem Einfluss christlicher Fundamentalisten die Gesetze gegen Homosexuelle drakonisch verschärft. Aber das ist nicht die ganze Geschichte, es gibt auch Gegenbeispiele, erzählen die Religionswissenschaftler Ezra Chitando und Adriaan van Klinken, die ein Buch zu diesem Thema, "Reimagining Christianity and Sexual Diversity in Africa", veröffentlicht haben. "Mehrere Länder in Afrika, zuletzt Botswana und Angola, haben Homosexualität entkriminalisiert. Auch in Bezug auf die Religion ist die Situation komplexer, als oft angenommen wird. Wie der Historiker Marc Epprecht in seinem Buch 'Sexualität und soziale Gerechtigkeit in Afrika' unter Bezugnahme auf das Christentum, den Islam und die indigenen Religionen dargelegt hat: 'Alle drei Glaubensgruppen in Afrika waren und sind historisch gesehen offener für die Akzeptanz sexueller Unterschiede, als allgemein angenommen wird.'" Neben Südafrikas Erzbischof Desmond Tutu, der Homophobie sehr früh schon zusammen mit Rassismus zu Häresie und Blasphemie erklärt hatte, "enthält unser Buch neun weitere Fallstudien über führende afrikanische Schriftsteller, die das christliche Denken neu interpretieren, über mehrere christlich inspirierte Gruppen, die die religiöse Praxis verändern, und über afrikanische Künstler, die sich auf kreative Weise christliche Glaubensinhalte und Symbole aneignen. Kurz gesagt, das Christentum ist eine wichtige Ressource für eine befreiende Vorstellung und Politik der Sexualität und sozialen Gerechtigkeit im heutigen Afrika."

Ausgesprochen sauer reagiert der Historiker Moses E. Ochonu auf westliche Kommentare zu Afrika, die seiner Ansicht nach in zwei Fallen tappen: Entweder ist Afrika immer nur der Kontinent der Tragödien, der Katastrophen und Kriege. Oder es ist genau anders herum: "Viele westliche Kommentare sind von einem wohlwollenden, avuncularen Rassismus durchdrungen, der Afrika als ein zartes Gebilde betrachtet, dessen schlimme Zustände als unvermeidliche Mühen der Entwicklungszeit heruntergespielt werden müssen. Aber Afrikaner brauchen informierte, wahrheitsgemäße und nuancierte Kommentare, keine die Probleme leugnenden, wohltuenden Plattitüden" Dieser Strang "behauptet, dass Afrikaner nicht nach westlichen Maßstäben für gute Regierungsführung, Sicherheit und Bürgerrechte beurteilt werden sollten, weil Afrikaner angeblich kulturell darauf konditioniert sind, sich an kleinen Dingen zu erfreuen, glücklich zu sein, selbst wenn sie von Problemen geplagt werden, und bescheidenere Ambitionen zu haben als Westler. In der alten Kolonialzeit war dies der Mythos vom 'fröhlichen Afrika', der in dem Buch 'Mistaking Africa' von Curtis Keim und Carolyn Somerville ausführlich erläutert wird."

Außerdem: Ryan Brunette erklärt den Unterschied zwischen dem Aufstand der Peronisten in Argentinien 2001 und dem der Zuma-Anhänger in Südafrika. Benjamin N. Lawrance und Vusumuzi R. Kumalo erzählen die Geschichte des südafrikanischen Autors Dugmore Boetie, der vor der Apartheid nach Botswana (damals Bechuanaland) floh.